Augenarzt Dr. Christof Hänsli berichtet
Normalerweise arbeite ich als Augenarzt in der Berner Augenklinik am Lindenhofspital.
In meiner Ausbildung zum Augenchirurgen lernte ich die Kataraktoperation in der Schweiz. Während eines zweimonatigen Frewilligeneinsatzes in Eswatini (vormals Swasiland) im südlichen Afrika konnte ich in der ländlichen Kleinstadt Siteki unterstützend in der dortigen Augenklinik mitarbeiten. Dabei erlente ich unter der Anleitung von Dr. Pons auch eine Operationstechnik, die mit weniger Ressourcen auskommt.
Eswatini ist hügelig und ländlich, gut drei Viertel der Bevölkerung leben als Selbstversorger und knapp die Hälfte unter der Armutsgrenze. Die Anreise zur Augenklinik ist oft so lang, beschwerlich und für ihre Verhältnisse so teuer, dass viele Patienten bis beinahe zur Erblindung warten, bevor sie einen Augenarzt aufsuchen.Mercy Air ermöglicht es der Augenklinik, mit einem sechsköpfigen Team in entlegene Orte zu fliegen und dort ein effizientes Screening für Katarakt und diabetische Retinopathie durchzuführen. Die Katarakt (der «graue Star») ist hier die häufigste, vermeidbare Ursache einer Erblindung, obwohl sie operativ geheilt werden kann.
Weiter erzählt Dr. Hänsli:
Am Zielort werden wir bereits erwartet und an unseren Landeplatz zwischen Schule und Gesundheitsposten eingewiesen. Die Bevölkerung wurde im Voraus bereits über unser Kommen informiert und wartet im Schatten der Bäume auf unsere Ankunft. Nach der freundlichen Begrüssung der Verantwortlichen und der Organisation der Räumlichkeiten wird allen gemeinsam der Ablauf erklärt. Wir screenen für Katarakt und Diabetes die Augen von Menschen über 40 Jahren, die Sehbeschwerden oder Diabetes haben.
Alle mit reduzierter Sehkraft werden kurz auf eine Katarakt hin untersucht. Patienten, welche für eine Kataraktoperation in Frage kommen, erhalten einen Operationstermin. Am Tag vor der Operation werden sie dann von den Angestellten der Augenklinik abgeholt, für die Operation vorbereitet und am Folgetag operiert.
Am Tag nach der Operation wird der Verband abgenommen, das Auge untersucht, und die Patienten werden zurückgefahren. Transport und Operation werden für diese Patienten ebenfalls gesponsert, im Rahmen eines mehrjährigen Outreach-Programms. Auf der Rückfahrt wird der Fahrer nicht selten Zeuge von glücklichen «Go-gos» (Grossmüttern), die sich über ihren wiedergewonnenen Sehsinn freuen und erstaunt die Veränderungen der letzten fünf Jahre bemerken.
Dr. Hänsli erklärt:
Alle Patienten mit Diabetes werden mit einer tragbaren Netzhautkamera fotografiert. Das Foto kann auf dem Bildschirm direkt beurteilt werden. Neben der Aufklärung über Diabetes, diabetische Retinopathie und Essgewohnheiten erfolgt im Falle einer fortgeschrittenen Erkrankung die Überweisung in eine Augenklinik zur weiterern Beurteilung und Therapie.
Dank unserem Screening-Programm können wir eine diabetische Retinopathie bereits im Frühstadium erkennen.
Viele Menschen sehen noch gut, aber benötigen eine Lesebrille. Diese führt Mercy Air in verschiedenen Stärken mit und sie können, da sie gesponsert sind, gratis abgegeben werden. Während Lesebrillen bei uns eine Selbstverständlichkeit sind, sind diese in entlegenen Dörfern nicht erhältlich oder nicht bekannt. Daher beklagen sich viele, ab dem 40. bis 50. Lebensjahr, dass Lesen oder Handarbeit für den Nahrungserwerb zunehmend mühsamer oder gar unmöglich wird. Mit der Abgabe einer Lesebrille, mit der richtigen Stärke, kann mit einfachsten Mitteln vielen Menschen wieder viel Lebensqualität geschenkt wer- den.
Eine Fahrt an manche Orte in diesem hügligen Land würde oft mehrere Stunden dauern und über löchrige Schotterwege führen. Dies würde einen Besuch eines Augen-Teams extrem ineffizient und ermüdend machen: zu viel Zeit unterwegs anstatt bei den Patienten.